Rechtsanwalt Niklas Clamann ist Gründer der Kanzlei Clamann in Münster und spezialisiert auf Familienrecht, insbesondere auf die digitale Abwicklung von einvernehmlichen Scheidungsverfahren. Mit seiner Plattform online-scheidung-deutschland.de bietet er deutschlandweit eine effiziente, ortsunabhängige Möglichkeit zur Online-Scheidung – rechtssicher, persönlich und transparent. In seinem Gastbeitrag „Immobilie bei Scheidung“ teilt er praxisnahes Wissen rund um Immobilienthemen im Trennungs- und Scheidungsfall.
Die Immobilie als gemeinsames Eigentum: Was bedeutet das im Trennungsfall?
Sind beide Partner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, handelt es sich um sogenanntes Miteigentum. Jeder Ehepartner hat dann in der Regel einen hälftigen Eigentumsanteil. Dies gilt unabhängig von der Finanzierung oder der tatsächlichen Nutzung der Immobilie und besteht über die Trennung oder Scheidung hinaus. Weder die Trennung noch die Scheidung ändert also etwas an den Eigentumsverhältnissen.
Im Fall der Trennung besteht grundsätzlich ein gemeinsames Nutzungsrecht, solange keine anderweitige Regelung getroffen wurde. Keiner der beiden Partner kann den anderen ohne Weiteres zum Auszug zwingen. Denn rechtlich gesehen bleibt die Immobilie zunächst die sogenannte Ehewohnung. Diese steht unter besonderem Schutz, sodass eine einseitige Räumung nicht ohne gerichtliche Entscheidung erfolgen kann. Um eine solche gerichtliche Entscheidung herbeizuführen und den Ehepartner zum Auszug zu zwingen, muss beim Familiengericht ein Wohnungszuweisungsverfahren eingeleitet werden. Das Familiengericht kann den Ehepartner dann der Immobilie verweisen. Dies wird in der Praxis nur dann erfolgreich sein, wenn ein sogenannter Härtefall nachgewiesen werden kann, beispielsweise Gewalt, Alkohol- oder Drogensucht oder sonstige massive Verfehlungen des Ehepartners.
Erst mit der Scheidung verliert die Immobilie ihren Sonderstatus als Ehewohnung. Dann können Fragen der alleinigen Nutzung oder Veräußerung konkreter geklärt werden.
Alleineigentum eines Ehepartners: Rechte und Pflichten des anderen
Ist nur einer der Ehepartner im Grundbuch eingetragen, ist er formell alleiniger Eigentümer. Dennoch hat der andere Ehegatte unter Umständen ein Nutzungsrecht, solange die Ehe besteht und die Immobilie als Ehewohnung dient. Der Auszug kann auch in diesen Fällen nicht ohne Weiteres erzwungen werden. Ist die Scheidung durchgeführt, verliert die Immobilie den Status der Ehewohnung. Der Alleineigentümer kann den ehemaligen Ehepartner dann zum Auszug zwingen, was einen zentralen Unterschied zur Immobilie im gemeinsamen Eigentum der Ehepartner darstellt.
Besonders bei Hauskrediten, die gemeinsam aufgenommen wurden, besteht trotz Alleineigentum oft eine wirtschaftliche Verflechtung. Die rechtliche Trennung von Eigentum und Finanzierung führt häufig zu Missverständnissen. Denn wer im Grundbuch steht, muss nicht zwingend allein für den Kredit haften. Ist der Kredit gemeinsam aufgenommen worden, haften beide Ehepartner für die Rückzahlung, selbst wenn ein Ehepartner Alleineigentümer der finanzierten Immobilie ist.
Gemeinsamer Kredit: Wer zahlt was nach der Trennung?
Wurde das Immobiliendarlehen von beiden Ehepartnern unterschrieben, haften sie gesamtschuldnerisch gegenüber der Bank. Das bedeutet: Die Bank kann sich aussuchen, von wem sie die Ratenzahlung verlangt. Für den Kreditgeber spielt es keine Rolle, wer in der Immobilie wohnt oder ob einer der Partner ausgezogen ist.
Zahlt ein Ehegatte nach der Trennung allein die Kreditrate, kann er vom anderen einen internen Ausgleich verlangen. Dies ist allerdings nicht automatisch geregelt, sondern muss im Streitfall ggf. gerichtlich durchgesetzt werden.
Eine Entlassung eines Ehegatten aus dem Darlehensvertrag ist nur mit Zustimmung der Bank möglich. Diese wird meist nur erteilt, wenn der verbleibende Kreditnehmer nachweislich wirtschaftlich leistungsfähig ist. Alternativ kann der Kredit vorzeitig abgelöst werden, was in vielen Fällen mit einer Vorfälligkeitsentschädigung verbunden ist.
Zugewinnausgleich: Wie wird die Immobilie finanziell berücksichtigt?
Haben Ehepartner nicht etwas anderes vertraglich vereinbart, leben sie automatisch im Güterstand der sogenannten Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass jeder Ehepartner während der Ehe sein eigenes Vermögen für sich behält. Im Scheidungsfall kann dann allerdings ein sogenannter Zugewinnausgleich beantragt werden. Dabei wird ermittelt, wie viel Vermögen jeder Ehegatte während der Ehe hinzugewonnen hat. Derjenige mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz an den anderen zahlen.
Einfaches Beispiel: Ehegatte A hatte bei Eheschließung kein Vermögen und besitzt zum Zeitpunkt der Scheidung eine schuldenfreie Eigentumswohnung im Wert von 300.000 Euro. Ehegatte B hat weder Vermögen aufgebaut noch Schulden gemacht. Der Zugewinn von A beträgt somit 300.000 Euro, B hat keinen Zugewinn. Die Hälfte der Differenz (150.000 Euro) steht B als Ausgleich zu.
Dabei ist wichtig: Der Zugewinnausgleich muss beantragt werden. Er erfolgt nicht automatisch mit der Scheidung. Die Frist zur Geltendmachung beträgt drei Jahre ab Rechtskraft der Scheidung.
Verkauf, Übernahme oder Teilungsversteigerung: Welche Möglichkeiten gibt es?
Trotz Trennung oder rechtskräftiger Scheidung bleiben die Eigentumsverhältnisse an der gemeinsamen Immobilie bestehen. Das Familiengericht entscheidet im Rahmen der Scheidung nicht über die Eigentumsverhältnisse an der Immobilie.
Im besten Fall einigen sich die Ehepartner also, wie mit der gemeinsamen Immobilie verfahren werden soll. Denkbar ist der Verkauf der Immobilie und Aufteilung des Erlöses, die Übernahme durch einen Ehegatten gegen Zahlung eines Ausgleichs oder auch die Vermietung als gemeinsames Eigentum.
Können sich die Parteien nicht einigen, bleibt als letzte Möglichkeit nur die Teilungsversteigerung. Dabei wird die Immobilie auf Antrag eines Ehegatten auch gegen den Willen des anderen Ehegatten gerichtlich versteigert. Das Verfahren ist oft langwierig und mit finanziellen Nachteilen verbunden, da Immobilien bei der Teilungsversteigerung häufig unter Marktwert veräußert werden. Die Teilungsversteigerung sollte daher immer das letzte Mittel sein.
Immobilienbewertung im Trennungsfall: Was ist die Immobilie wirklich wert?
Die Frage nach dem Immobilienwert spielt bei der Auseinandersetzung eine zentrale Rolle. Denn sowohl für den Zugewinnausgleich als auch für Ausgleichszahlungen bei einer Übernahme durch einen Ehepartner ist der Marktwert entscheidend.
In der Praxis beauftragen viele Paare einen unabhängigen Sachverständigen, um ein neutrales Gutachten zu erhalten. Dieses sollte nicht nur den reinen Objektwert, sondern auch Besonderheiten wie Lage, Zustand, Modernisierungsgrad und Marktumfeld berücksichtigen. Wichtig ist, dass das Gutachten von beiden Seiten anerkannt wird, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Dabei sollte der Gutachter möglichst gemeinsam ausgesucht und im Vorfeld eine Einigung darüber erzielt werden, wie mit den Kosten für das Gutachten umgegangen wird.
Gerade bei stark schwankenden Immobilienmärkten oder wenn Modernisierungen vorgenommen wurden, kann ein aktuelles Gutachten den Spielraum für Einigungen erheblich erweitern. Auch Steuerfragen, etwa zur Spekulationsfrist oder zur Grunderwerbsteuer bei Eigentumsübertragung, sollten bei der Bewertung mitbedacht werden.
Zur Veräußerung der Immobilie sollte stets ein professioneller Immobilienmakler herangezogen werden, um sicherzustellen, dass ein adäquater Verkaufserlös erzielt werden kann. Auch dieser sollte von den Ehepartnern, sofern sie gemeinsame Eigentümer sind, gemeinsam beauftragt werden.
Ehevertrag oder Immobilienvereinbarung: So sichern Sie sich ab
Um spätere Konflikte zu vermeiden, empfiehlt sich bereits beim Immobilienkauf eine vertragliche Regelung. In einem Ehevertrag kann festgelegt werden, was im Fall einer Trennung mit der Immobilie geschehen soll, wie Kreditverpflichtungen geregelt werden oder ob der Zugewinnausgleich in Bezug auf die Immobilie ausgeschlossen wird.
Auch außerhalb eines Ehevertrags kann eine Immobilienvereinbarung notariell getroffen werden, etwa über das hälftige Eigentum, das Nutzungsrecht oder den Ausgleich im Fall eines Verkaufs. Wer vorsorgt, schafft Klarheit für beide Seiten.
Fazit: Klare Verhältnisse schaffen, bevor es kompliziert wird
Eine gemeinsame Immobilie verbindet. Doch im Trennungsfall kann sie auch zur Belastung werden. Wer rechtzeitig Regelungen trifft und sich bei Bedarf beraten lässt, vermeidet langwierige Streitigkeiten und schafft eine solide Grundlage für faire Lösungen.